Geschichte der Stücke

Die Schuloper „Der Jasager“ geht zurück auf eine japanische Fabel: „Tanikô“, ein Spiel des jahrhundertealten Nô-Theaters. Eine verkürzte englische Nachdichtung des Nô-Spiels durch Arthur Waley gelangt über den Umweg von Elisabeth Hauptmanns Übersetzung ins Deutsche zu Brecht. Weill regt zur Umsetzung als Schuloper an. Brecht ändert seine Textquelle sparsam, aber wesentlich. Aus einer heiligen Initiationsreise, einem Priester und einem Tempel werden eine Forschungsreise, ein Lehrer und eine Schule. So nimmt der Tanikô-Stoff einen kuriosen Weg vom rituellen Spiel hin zu einem säkularen, sozial-pädagogischen Versuch, bei dem Brechts und Weills Programm für eine Erneuerung von Ästhetik und Funktion des abendländischen Theaters durchscheint.

Die „Jasager“-Oper wird am 23.6.1930 im Berliner Zentralinstitut für Unterricht und Erziehung uraufgeführt. Mit 60 weiteren Aufführungen zwischen 1930 und 1932 ist Weill-Brechts „Jasager“ ein Schlager der Schulmusikbewegung Anfang der Dreißigerjahre. Die Rezeption der Uraufführung ist allerdings zwiespältig. Brecht prüft die Schuloper bei einer weiteren Aufführung an der Karl-Marx-Schule Neukölln. Im Publikum sitzen Schüler, und es finden Diskussionen statt. In der Folgezeit entstehen ein zweiter „Jasager“-Text, in dem die kausale Logik stärker ist, und der „Neinsager“ als Pendant dazu. Weill komponiert Änderungen zur zweiten „Jasager“-Fassung, gibt diese jedoch nicht zur Aufführung frei. Den „Neinsager“ zu vertonen weigert er sich. Reiner Bredemeyer nimmt sich dieser Aufgabe 1990 an. Hintergrund der Komposition ist die Wende in der DDR.


Lehrstücke

Weills Oper „Der Jasager“ gehört wie Brechts Textfassungen „Der Jasager und der Neinsager“ in den Komplex der Lehrstücke. Während das so genannte Schaustück primär für eine Aufführung vor Publikum bestimmt ist, sieht Brecht den Sinn der Lehrstücke vorrangig in der Wirkung auf die Spielenden selbst. Exemplarisch werden modellhafte Rollen und Situationen gespielt. Vorgänge des realen Lebens und ihre Gesetzmäßigkeiten sollen dabei erkennbar werden und Theaterspiel auf diese Weise in das reale Leben hineinwirken. Der Weg einer Gruppe von einem gemeinsamen Ausgangspunkt zu einem gemeinsamen Zielpunkt kann zudem für alle gesellschaftlichen Prozesse stehen.

Ungeachtet der Erklärung Brechts, die Lehrstücke brauchten kein Publikum, strebten Brecht und seine Komponisten Aufführungen dieser Stücke an.


Biografisches

Kurt Weill wurde 1900 als Sohn des Kantors der jüdischen Gemeinde in Dessau geboren. Siebzehnjährig ging er nach Berlin, wo er Musik studierte. Weill wurde Schüler von Engelbert Humperdinck und Ferruccio Busoni. Erste Opernprojekte vor dem Erfolg der „Dreigroschenoper“ unternahm er mit Georg Kaiser und Yvan Goll. Die Flucht vor den Nazis führte Weill nach Paris und zuletzt nach New York. Die USA nahm er als neue Heimat an. Ein Kontinuum in seinem Schaffen auf beiden Seiten des Ozeans dürften die Bemühungen um die Oper ausmachen. Schon in Europa versuchte er, ein zeitgemäßes Musiktheater zu entwickeln. Die Kooperation mit Brecht ist dabei ein Baustein, der „Jasager“ ein Experiment – auf musikalischer Seite zweifellos ein gelungenes: Weill zählte den Jasager zu seinen besten Kompositionen.

Bredemeyer, 1929 in Velez, Kolumbien, geboren, wuchs in Breslau auf. Nach dem Krieg begann er ein Kompositionsstudium bei Karl Höller in München. 1954 siedelte er über nach Berlin-Ost. Dort wurde er Meisterschüler Rudolf Wagner-Régenys. Wesentliche Einflüsse kamen auch von Paul Dessau. Bredemeyers Tätigkeit in der DDR war verbunden mit Schauspiel. Von 1961 bis 1994 wirkte er als musikalischer Leiter am Deutschen Theater Berlin. Er komponierte jedoch nicht nur für Inszenierungen, Matineen und Filme, sondern hinterließ auch ein umfangreiches kammermusikalisches Werk, Orchestermusiken, Werke für Chor und zahlreiche Lieder, unter anderem nach Texten Wilhelm Müllers, Kurt Tucholskys und Heinrich Heines. Mit „Das Leben des Andrea“ (1970) ging dem „Neinsager“ bereits eine Schuloper voraus. Dem Deutschen Theater schenkte Bredemeyer die „Galoschenoper“ (1978). 1982 folgte eine weitere Oper, „Candide“ nach Voltaire. Reiner Bredemeyer starb am 5.12.1995 in Berlin.