Ein Lehrer steht vor einer besonders gefährlichen und strapazenreichen Reise. Sie wird ihn und seine Studenten ins Gebirge führen. Ziel ist eine Stadt hinter den Bergen, in der Wissen und Medizin zu gewinnen sind. Vor Reiseantritt verabschiedet sich der Lehrer von einem seiner Schüler und dessen Mutter. Etwas Unerwartetes passiert: Der Junge will mit dem Lehrer mitgehen, und es ist fraglich, ob man ihn lassen sollte. Ist er nicht zu klein und schwach? Oder könnte er nicht seiner kranken Mutter Medizin von der Reise mitbringen? Der Junge kann sich gegen die Erwachsenen durchsetzen. Er wird den Weg in die Berge auf sich nehmen.
Der zweite Teil zeigt Geschehnisse während des Anstieges im Gebirge. Die Anstrengungen waren zu groß für den Knaben. Er kann die Reise nicht fortsetzen und wird so zur Gefahr für die gemeinsame Unternehmung. Die drei Kameraden von Lehrer und Knabe fordern gemäß einem alten Brauch die Tötung des Knaben. Der Lehrer fügt sich und erklärt seinem Schützling dessen Schicksal.
Im Jasager stimmt der Schüler seiner Tötung zu, sodass die
Gefährten ihre Reise fortsetzen können. Im Neinsager dagegen
verweigert er sein Einverständnis. Er bewegt die Gruppe, ihn nach
Hause zu bringen, damit er wieder genese.
In der von uns verwendeten Textfassung der Jasager-Oper wird nicht benannt, welchen Grund das Beharren der Studenten auf den großen Brauch hat. Es wird davon ausgegangen, dass die Reise einen essentiellen Nutzen für alle Beteiligten und für die zu Hause Gebliebenen hat. Stimmt der Knabe unter diesen Umständen seinem Tod zu, rückt er ab von seinem eigenen Interesse und bestätigt mit seiner altruistischen Haltung die Gemeinschaft, ihre Ziele, ihre Regeln und ihre Einheit. Die Gruppe muss fortbestehen. Die Reise muss fortgesetzt werden. Wir Zuschauer vollziehen diese Einsicht in die Notwendigkeit nach und erlernen sie mit ihm.
Im Neinsager hat sich die Einheit der Gemeinschaft aufgelöst. Die Bergsteiger haben individuelle und verschiedene Motivationen zu reisen. Sie vertreten eine Gesellschaft, in der jeder auf seinen Individualismus stolz ist. Der Eigennutz des Einzelnen ist für sie wichtiger als der gemeinsame Nutzen aller. Die aus der Not geborene Forderung des Knaben, alle müssten das gemeinsame Ziel aufgeben, umkehren und ihn retten, ist egoistisch. Gleichzeitig verlangt der Knabe damit aber, dass die anderen seinetwegen von ihrem Eigennutz abrücken und altruistisch handeln.
In ihrer Skizzenhaftigkeit kann keine der Vorlagen als die richtige
oder die falsche bezeichnet werden. Dementsprechend wollen die beiden
Inszenierungen auch kein Schwarz-Weiß oder Gut-Böse zeichnen
sondern die Wertung offen lassen:
Muss oder darf eine Gemeinschaft verlangen, dass man einmal eingeführte
Regeln unter allen Umständen befolgt, dass man tatsächlich
alle Konsequenzen in Kauf nimmt, um diese Regeln zu bestätigen?
Darf oder muss ein Einzelner verlangen, dass die Gesellschaft von ihren
Plänen und Regeln zu seinen Gunsten absieht, wenn diese ihm ungerechtfertigt
erscheinen?