„...In Dessau war nun erst die zweite Produktion der beiden Werke
in der von Brecht gewünschten Kombination zu erleben. Kurt Weills
Tonsprache ist bezüglich der Gesangspartien wie auch von Chor und
Orchester ganz auf die Möglichkeiten einer Schulaufführung
zugeschnitten, und diese gelang in Dessau auf wirklich beachtlichem
Niveau. In der nüchternen Atmosphäre in der Turnhalle des
Liborius-Gymnasiums - nicht einmal die Sportgeräte an den Wänden
waren verhüllt - entwickelten Schüler von Gymnasien aus Dessau
und Rosslau sowie der Musikschule Dessau eine stimmige, überzeugende
Darstellung der beiden Werke. (...)
Michael Melerski hatte ein aus schlichten unverkleideten Podesten bestehendes
Einheitsbühnenbild entworfen, das die Schauplätze karg andeutete,
dazu einheitlich graue Kostüme für alle Beteiligten. In der
Regie setzte Silke Wallstein in Weills Opus auf einen analog zur Musik
als einheitliche Masse geführten Chor sowie bei den Solisten auf
sparsame Bewegungen. Musikalisch blieben im Jasager keine Wünsche
offen. Friedemann Neef führte das Ensemble sicher durch die von
klaren Rhythmen bestimmte Partitur.
In Reiner Bredemeyers Neinsager trug Silke Wallstein der Entstehungszeit,
aber auch der progressiveren, vielschichtigeren Tonsprache Rechnung
und ließ den Chor als bewegte Individuen auftreten, die als Reportermeute
mit Notizblocks und Kameras das Geschehen neugierig verfolgten. Auch
die solistischen Partien waren nun eigenständiger und emotionaler
geführt. Mit der atonalen rhythmisch komplexen Musik Bredemeyers
hatte vor allem das 17-köpfige solistisch besetzte Orchester einige
Schwierigkeiten, während Solisten und Chor auf der Bühne auch
hier mit staunenswerter Souveränität agierten. Immerhin war
dies nicht nur die zweite Aufführung dieses ungleichen musikalischen
Paares nach der Uraufführung, sondern auch die erste von Bredemeyers
Oper durch Schüler, für die sie eigentlich nicht geschrieben
wurde. Und aus dieser Perspektive haben sich die Schüler in der
Dessauer Premiere höchst achtbar geschlagen. Viel Beifall für
eine nach außen kleine, nach innen große, außergewöhnliche
Produktion.“
mdr figaro, 1.4.06
„(...) Die Kontraste sind erheblich: Weill schrieb eine stringente
neoklassizistische Partitur, während Bredemeyers Musik durch punktuelle
Ereignisse und kürzere Phrasen das Zögern einkomponierte.
Während bei Weill Zweifel an dem dargestellten „großen
brauch“ (erkrankte Exkursionsteilnehmer dem Tode zu überantworten)
nur zwischen den Zeilen hörbar werden, zeigt sich bei Bredemeyer
schon im Klang der Zerfall althergebrachter Gewissheiten. Die hier angelegte
Polarität akzentuierte Silke Wallstein deutlich in ihrer Inszenierung
(...).
Schon am Vorabend der Aufführung wurde unter der musikalischen
Leitung von Friedemann Neef ganz hervorragend, klar und präzise
musiziert und gesungen – überdies mit erstaunlich guter Textverständlichkeit
auch bei den jungen Solisten. Auf dem wie improvisiert wirkenden Brettergerüst
in der Turnhalle des Liborius-Gymnasiums bewegten sich die Jugendlichen
zuverlässig, flink und aussagekräftig. Während sie im
„Neinsager“ heutige Verhaltensweisen an den Tag legten (von
der gereizten Atmosphäre zwischen dem Knaben und seiner Mutter
bis zum lässigen Auftreten des Lehrers) wurde im „Jasager“
eine ideologisch geformte Gesellschaft sichtbar, wie man sie im Osten
Deutschlands noch vor 17 Jahren erleben konnte. (...)“
Der Neue Merker, Wien, 1. 4. 2006
„(...) Erstmals seit fast 12 Jahren gab es in Dessau die Kombination
von Weills Jasager-Vertonung mit dem 1990 von Reiner Bredemeyer komponierten
Neinsager zu sehen und zu hören. Weder die Thematik noch die Musik
kommen heutigen Jugendlichen besonders entgegen. Umso bemerkenswerter
ist es, dass es gelang, das Orchester, Gesangssolisten und Chorsänger
der Musikschule mit Chorsängerinnen und –sängern von
vier örtlichen Gymnasien zusammenzubringen. (...) Die musikalische
Leitung lag bei Friedemann Neef, dem Orchesterleiter der Dessauer Musikschule,
die Gestaltung des Bühnenbildes bei Michael Melerski und die künstlerische
Gesamtleitung bei Silke Wallstein. Ich konnte aus Termingründen
nur die Generalprobe verfolgen, bekam aber später von zuverlässigen
Gewährsleuten bestätigt, was ich schon in der Generalprobe
erlebte: dass hier ganz hervorragend, klar und präzise musiziert
und gesungen wurde – überdies mit erstaunlich guter Textverständlichkeit,
dass die Schülerinnen und Schüler in der Turnhalle des Liborius-Gymnasiums
zuverlässig, flink und aussagekräftig bewegten. Und das beide
Schulopern überzeugend als Kontrast gestaltet waren. (...) Pointiert
wurde die hier schon angedeutete Polarität durch die szenische
Deutung. Der Jasager lief ab „wie am Schnürchen“. Für
Zweifel an dem überlieferten Brauch, erkrankte Exkursionsteilnehmer
ins Tal hinabzuwerfen, und an der Regel vom Einverständnis war
kein Platz. Hier erlebte man die ideologisch formierte Gesellschaft
der Vergangenheit. Im Neinsager ging es gegenwärtig und damit wesentlich
lockerer zu. Heute gestattet man sich Denkpausen, Schüler haben
Fotohandys, Reiseführer und Notizbücher dabei, Lehrer rauchen
zwischendurch auch mal eine Zigarette und lassen sich sogar ein wenig
herumschubsen, ohne dass ihre Autorität darunter litte. Im Ernstfall-
ob es keine Schande sei, umzukehren- sind sie doch noch gefragt. Vielleicht
ist der Jasager als solcher nicht so eindeutig zu interpretieren, zu
auffällig ist in Brechts Text, wie aus den großen Lehrern
jenseits der Berge auf einmal die „großen Ärzte“
werden. Und zu ambivalent ist bei Weill der Tango-Rhythmus besetzt,
der wiederholt im entscheidenden Gespräch des Lehrers mit dem Knaben
anklingt. In der Kombination aber wirkt Silke Wallsteins Inszenierung
schlüssig. (...)“
„(...) Anregende Lebendigkeit stattdessen, wenn das arme epische
Theater zu seinem Recht kam: Unter der konzentrierten musikalischen
Leitung von Friedemann Neef, im strengen Bühnenbild von Michael
Melerski und der sparsam-glaubwürdigen Regie von Silke Wallstein
überzeugten Schüler von Gymnasien aus Dessau und Umgebung
mit den Schulopern „Der Jasager“ und „Der Neinsager“.
Der Einfachheit und Klarheit der Darstellung entsprach der engagiert
- präzise und textverständliche Gesang von Chor und Solisten
– die Einstudierung besorgte Marianne Kaiser von der Musikschule
Dessau. In Weills pulsierenden Rhythmen erhält das „Jasager“
- Konzept des Vorrangs der Gemeinschaft vor dem Individuum, in Reiner
Bredemeyers zwölftönig zersplitternder Vertonung der Individualismus
des „Neinsagers“ plastische Gestalt. Schön, wie auch
die Regie die Gestik hier individualistisch auflöst. (...)“
Oper und Tanz, März / April 2006
„(...) Eine mittlere Sensation war die Aufführung der Doppelparabel
Der Jasager / Der Neinsager von Kurt Weill und Reiner Bredemeyer am
katholischen Liborius-Gymnasium – durch ein meisterhaft vorbereitetes
Schülerensemble. (Regie: Silke Wallstein, Leitung: Friedemann Neef).
Dass sich Kinder und Jugendliche mit derart großer Virtuosität
einer solchen Herausforderung stellen, ist alles andere als selbstverständlich
(...)“
Das Orchester, Mai 2006
„(...) Elf Solisten und über 30 Chorsänger agieren unter
der souveränen musikalischen Leitung von Friedemann Neef auf der
Bühne und bewältigen die schwere Partitur in erstaunlicher
Reife. War die Stuttgarter Uraufführung 1994 noch bedeutungsschwanger
düster und apokalyptisch geraten, gelang es den Dessauer Schülern,
frisches und unverbrauchtes Theater auf hohes künstlerisches Niveau
zu zeigen. 2 Premieren - 2 Konzepte. Die Komische Oper Berlin und die
Musikschule Dessau: David gegen Goliath. Und der Ausgang ist wieder
mal derselbe. Man lernt nie. Aus.“
Das Blättchen, Mai 2006
„(...) Die Dessauer Aufführung ist von besonderer Bedeutung,
weil es die überhaupt erst zweite Realisierung beider Werke in
der von Brecht gewünschten Zusammenstellung ist, auch, weil sie
in der vielseitigen Komplexität erstmalig ausschließlich
von Jugendlichen realisiert wird. Und – es ist auch eine Aufführung
geworden, die für die Zuschauer in der vollbesetzten Turnhalle
am Liborius-Gymnasium ein einprägsames und nachhaltig wirkendes
Theaterereignis war. (...) Die Gäste der Aufführung erlebten
ein gut gemachtes, zeitlos gültiges Stück der Weltliteratur.
(....) Spiel und vor allem Gesang mit guter Diktion waren ausgezeichnet.
(...) Das Orchester unter Leitung von Friedemann Neef begleitete sehr
aufmerksam und einfühlsam, gestaltete die unterschiedlichen musikalischen
Auffassungen von Weill und Bredemeyer wirkungsvoll.“
Magdeburger Volksstimme, 4.3.06
„(...) Dass die Interpreten zugleich die eigentlichen Adressaten
waren, gab der Premiere nicht nur den Rang einer Uraufführung.
Es verband im Liborius-Gymnasium zudem künstlerische und pädagogische
Effekte auf faszinierende Weise. (...) Obwohl „Der Neinsager“
auch in der Orchesterbesetzung und in der Stimmführung der Sänger
eine Eskalation bis zur dissonanten Vereinzelung fordert, bleibt die
Verbindung zwischen Bühne und Orchester stabil und organisch. Und
dank der Gesangspädagogin Marianne Kaiser tragen selbst kleine
Stimmen weit – vor allem, wenn sie von einem Podestgipfel kommen.
Dorthin hat Regisseurin silke Wallstein den Chor gestellt, dorthin sind
die Reisenden unterwegs und dort soll sich die Wahl zwischen Ja und
Nein entscheiden. Die Inszenierung folgt den musikalischen Vorgaben
(...) Ihren Halt aber findet sie in der Masse, die zugleich die Position
des Zuschauers spiegelt. (...) Dass sich Kinder und Jugendliche mit
derart großer Verantwortung und Virtuosität der Herausforderung
stellen, ist alles andere als selbstverständlich. Bei B.B. heißt
es: „Wichtig zu lernen vor allem ist Einverständnis.“
Dass man darunter auch die Einladung zu einem großen Werk verstehen
kann, bei dem ausnahmslos alle Mitwirkenden auf und hinter der Bühne
stehenden Applaus verdienen und bekommen, hat Dessau gezeigt“
Mitteldeutsche Zeitung, Halle, 3.3.06
„(...) der Funke sprang über. Stehende Ovationen. Einem Aufgebot
von hoch engagierten Laien, Musikschülern, Lehrern, Mädchen,
Jungen, wenigen Profimusikern gelang eine fantastische Aufführung
(Dirigent: Friedemann Neef). (...) Dem Ereignis gemäß die
Kargheit des Bühnenbildes von Michael Milerski. Zu ebener Erde
im Vordergrund das Orchester, hölzerne Aufbauten dienen als Spielfläche.
Sänger, Solisten, dunkel gefärbt ihre Lippen, tragen frei
nach Brecht graue Arbeitskleidung. Regisseurin Silke Wallstein wählte
für die beiden Stückvarianten konkurrierende Besetzungen.
(...) Zu erleben waren in Dessau zwei wirklich unterschiedlich inszenierte
Versionen. Die eine, Weillsche, geriet eher oratorisch, die andere,
Bredemeyersche, ist in den spielerischen Aktionen ungleich lebendiger.
(...) Der Witz zwischen den komponierten Lehrstückmodellen liegt
im Unterschied zwischen „Einverständnis“ und „Ein
Verständnis“. Die Differenz ist himmelweit. Und so sind die
Modelle auch inszeniert worden. Von einer fähigen Regisseurin.
(...)“
Neues Deutschland, 2.3.06
[…] Wallstein: Die Inszenierung der beiden Opern geht über
Schülertheater oder Schultheater im herkömmlichen Sinne hinaus.
Der Aufwand mit Solisten, Chor und einem Orchester ist außergewöhnlich.
[…]
Markworth: Wichtig ist uns auch, dass verschiedene Akteure und Unterstützer
zusammenarbeiten: die Dessauer Gymnasien, das Roßlauer Goethe-Gymnasium
und die Musikschule Dessau, Kurt-Weill-Fest, Anhaltisches Theater und
der Förderkreis […]
Mitteldeutsche Zeitung, 3.11.05
„Große Konzentration verraten die Augen der Schüler,
die zwischen den Noten und den Händen Friedemann Neefs hin- und
herspringen. Hier sind alle hoch motiviert, und das, obwohl die Premiere
von "Jasager" und "Neinsager" erst in einem guten
halben Jahr sein wird.“
Mitteldeutsche Zeitung, 12.7.05
[…] Der Förderkreis der Musikschule, der seit 1998 arbeitet,
hat ein Schul-Oper-Projekt "Jasager/Neinsager" geplant. Entwickelt
und realisiert wird es von Schülern der Musikschule und Dessauer
Gymnasien sowie der Berufsfachschule. In Workshops sollen Bühnenbild,
Kostüme und Werbematerial entstehen.
Mitteldeutsche Zeitung, 2.3.05